1. Kitja 01: Neue Beobachtungen


    Datum: 23.09.2018, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie, Autor: bykeinAutor

    Kitja sah sich noch einmal um, ob jemand sie beobachtete, dann huschte sie von der staubigen Landstraße in den schattigen Wald, an dessen Rand die farbenfrohen Buden und zahlreichen Verkaufsstände errichtet waren. Ihre Mutter erwartete, dass Kitja ihr am Marktstand helfen würde, und hätte sie nie gehen lassen, wenn sie nicht behauptet hätte, dass sie dringend auf die Toilette müsste. Auf diese Weise hatte sie sich zumindest ein paar Minuten gestohlen, in denen sie nicht neben den ausgebreiteten Holzlöffeln, Schüsseln und Tellern stehen musste, um vor Langeweile zu sterben. Wie alle Gnome war ihr Vater, ein Drechsler, handwerklich sehr geschickt. Aber von Geschäften verstand er nichts, wie alle Männer. Daher übernahmen wie in jeder Familie die Frauen das Verkaufen. Anfangs, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war, fand Kitja es aufregend, samstags mit zum Markt gehen zu dürfen. Es war eine willkommene Abwechslung von den öden Wochentagen in dem kleinen weltabgeschiedenen Dorf in den Hügeln, wo nur Gnome lebten. Auf dem Markt traf man neben den Leuten aus fremden Dörfern vor allem große Menschen, was anfangs einen exotischen Reiz ausmachte. Inzwischen aber hatte sich Kitja an den Anblick der Menschen gewöhnt, die zwar um das Doppelte ihrer eigenen Körpergröße aufragten, aber ansonsten eher langweilig anzusehen waren. Ihre Gesichter wirkten langgezogen und kantig, nicht so rund und voller Lachfältchen, wie die der Gnome. Außerdem war ihre Haut in der Regel viel heller ...
     als der Bronze- oder Erdton, der ihr eigenes Volk ausmachte. Und die Haare waren zwar von verschiedenen Farben von Stroh über Rost und Haselnuss bis Kohle, aber alle eher matt und glanzlos, während das der Gnome, insbesondere das lange, gewellte Haar der Frauen von einem tiefen Schwarz war, in dem blaue oder violette Untertöne schimmerten. Im Grunde, gestand Kitja sich ein, lag es aber nicht am Markt oder an den Menschen, dass sie sich unwohl fühlte. In Wahrheit lag es daran, dass sie kein kleines Mädchen mehr war und selbst entscheiden wollte, was sie tat. Dem Gesetz nach war sie schon seit fast einem Jahr volljährig und hätte jedes Recht dazu gehabt, zu tun und zu lassen, was sie wollte. Aber da sie noch unverheiratet war und bei ihren Eltern lebte, hatte sie ihnen wohl oder übel zu gehorchen, so wie es Tradition und Sitte vorschrieben. Die Alternative erschien Kitja ebenso wenig verlockend. Sie würde erst aus ihrem Elternhaus ausziehen können, wenn sie heiratete. Hochzeiten waren aber traditionsgemäß eine von den Müttern ausgehandelte Verbindung zwischen zwei Familien. Bei der Wahl ihres Gatten hatte sie nichts mitzureden. Und am Ende würde Kitja nichts gewinnen. Statt bei ihren Eltern zu wohnen und die Waren ihres Vaters zu verkaufen, würde sie bei ihrem Ehemann wohnen und dessen Waren verkaufen. Was sie sich wirklich wünschte war, unabhängig zu sein und selbst entscheiden zu können, was sie tun wollte. Aber das würde wohl für immer ein Wunschtraum bleiben. So war es ...
«1234...9»