1. Wahlverwandschaften Teil A


    Datum: 05.09.2017, Kategorien: Transen Autor: byGesa

    egal, nur Ulrike kannte mich lang genug, um meine Konflikte zu kennen. Cynthia und Ernst kannten mich als Christian, der mit Ulrike befreundet war. Was Ulrike von mir dachte, wusste ich nicht. Aber ich mochte sie -- und sie mochte mich. Wir waren gute Freunde, sonst nichts, aber eben wirklich gute Freunde. Inzwischen waren wir schon in der dritten Kneipe. Die Stimmung war gut. Ich tanzte neben Ulrike und wir amüsierten uns prächtig. Sie hatte sich über mein Kostüm lustig gemacht, aber gleichzeitig klar gemacht, dass sie jeden Karnevalsspaß mitmachte. Plötzlich tippte mir jemand auf die Schulter. Etwas unwillig drehte ich mich herum. Ich war bei dem Anblick überrascht, bisher hatte mich noch nie jemand außerhalb meiner Altersgruppe angesprochen. Aber der Mann, der mich anschaute, war eindeutig zumindest zehn Jahre älter als ich. Seine kurzen, schwarzen Haare umrahmten ein kluges Gesicht mit dunkelbraunen, intensiven Augen mit einer leicht betonten Winkelstellung, die dem Antlitz einen exotischen, asiatisch angehauchten Ausdruck verliehen. Das wurde durch eine olivfarbene Schminke noch unterstrichen, die sämtliche Ansätze von Barthaaren bedeckte. Vor mir stand ein formvollendeter Inder in einem leuchtend bunten Anzug, wobei die schlanke Nasenform trotzdem die europäische Herkunft verriet. Oder war er tatsächlich ein echter Nachkomme europäischer und indischer Eltern? „Darf ich mit dir tanzen, lecker' Mädje? Ich bin der Alex aus Hamburg." Bevor ich noch richtig reagieren ...
     konnte, zog er mich in eine Paartanzhaltung und lachte mich einfach an. Der war garantiert über dreißig! Das war ein erwachsener Mann mit einem Beruf und eigener Wohnung, der mich hier in den Armen hielt. So etwas war mir noch nicht passiert. Gut, bisher war ich auch immer in Hotels oder Kneipen für die junge Generation gewesen und hatte praktisch immer solo getanzt. Und das auch immer mit der Clique, die mich natürlich kannten. Etwas hilflos blickte ich zu Ulrike hin, die neben mir tanzte, aber sie war gerade in eine Unterhaltung vertieft. Er zog mich nach dem nächsten Tanz in den kleineren, ruhigeren Raum nebenan und ich war auf einmal von den Leuten meiner Clique getrennt. Das machte mich unruhig. Er begann mir von seiner Heimatstadt Hamburg zu erzählen und das lenkte mich von der ungewohnten Situation ab. Seine Stimme war relativ hell. Das war vielleicht dem für einen Mann relativ zierlichen Körperbau geschuldet war, was wiederum für die Hypothese sprach, dass er tatsächlich asiatische Wurzeln hatte. Beim Tanzen erzählte er mir immer mehr von seinen Reisen, die aber belegten, dass er ständig in Europa lebte. Langsam begann ich mich zu entspannen und von meiner Weltstadt Berlin zu berichten. Das kam ganz von allein, weil er ein guter Zuhörer war. Es war ein ausgesprochenes Vergnügen sich von ihm beim Tanzen führen zu lassen. Ich begriff zum ersten Mal, was gute Führung beim Tanzen ausmacht. Ich hatte das in dem einen Tanzkurs, den ich jemals mitgemacht hatte, zwar ab und zu vom ...
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