Der Olivenhain
Datum: 22.03.2019,
Kategorien:
Romantisch
Autor: Freudenspender
vermeintliche Gefühlskälte, für die ich ihn ein Leben lang gehasst habe, erscheint nun jedoch in einem völlig anderen Licht. Inzwischen ist es draußen dunkel geworden. Beim Lesen der letzten Zeilen hat das Tageslicht gerade so gereicht, um sie zu entziffern. Nun sitze ich definitiv im Dunkeln, kauere auf der Couch und grüble vor mich hin. Ich habe keine Ahnung, wie mein Leben weitergehen soll. Ich bin zwar kein Mensch, der sein Leben genau plant. Doch zumindest in groben Zügen hatte ich bisher immer eine Idee davon, wie es sich entwickeln sollte. Wie jedes Mädchen habe ich davon geträumt, wegzugehen und irgendwo anders ganz neu anzufangen. Einen tollen Mann kennenzulernen, die Welt zu bereisen und mein Leben zu finden. Meine Ausbildung zur Friseurin habe ich nur auf Drängen meiner Mutter begonnen. Sie hat immer betont, wie wichtige es ist, einen Beruf zu haben. Wenig später ist sie an einem Herzinfarkt gestorben und hat mich von einem Moment auf den anderen zur Vollwaise gemacht. Meine Ausbildung hat mir die Möglichkeit eröffnet, in eine betreute Wohngemeinschaft zu ziehen. Hätte ich die Lehre abgebrochen, wäre ich in ein Heim gesteckt worden. Das wollte ich absolut nicht. Also blieb mir nichts anderes übrig, als die Lehre fortzusetzen. Mein ganzes Leben lang stecke ich in einer Tretmühle fest. Nun eröffnet sich plötzlich eine ganz neue Perspektive. Auch wenn ich keine Ahnung habe, worauf ich mich einlasse, es ist zumindest die Hoffnung auf einen Ausweg. Noch bin ich jung und ...
kann mich auf ein Wagnis einlassen. Meine Mutter konnte oder wollte nicht über ihren Schatten springen und ausbrechen. Die Folge war, dass sie ein Leben lang unglücklich war. Diesen Fehler möchte ich nicht machen. Als ich am Morgen erwache, bin ich wie gerädert. Ich habe schlecht und vor allem unruhig geschlafen. Im Traum spaziere ich mit meinem leiblichen Vater durch die Weinberge. Die warme, angenehme Sonne taucht die Reben in ein traumhaftes Licht. Dazwischen kommen immer wieder Episoden hoch, die ich mit dem Mann erlebt habe, von dem ich geglaubt hatte, dass er mein Vater sei. Ich träume davon, dass ich alt und grau noch immer im Friseursalon stehe, aber auch wie ich Hand in Hand verliebt mit einem Mann eine Straße entlangschlendere, die von Zypressen gesäumt wird. Es ist noch früh am Morgen, doch allmählich dämmert es. Der Wecker würde erst in etwa einer Stunde klingeln. An jedem anderen Tag hätte ich mich umdrehen und noch eine Runde gepennt. Heute bin ich zu aufgewühlt. Ich schalte den Wecker aus, stehe auf und mache mir Kaffee. Schwarz und stark brauche ich ihn heute. Während ich gedankenverloren an der Tasse schlürfe, schweifen meine Gedanken erneut ab. Was habe ich denn zu verlieren? So berauschend ist mein Leben auch wieder nicht. Also kann ich mir das Weingut wenigstens anschauen. Italien und vor allem die Toskana sollen wirklich schön sein. Zurückkommen kann ich schließlich immer noch, sollte es doch nicht klappen. Ich gehe zeitig in den Laden, früher als sonst. ...