Der Olivenhain
Datum: 22.03.2019,
Kategorien:
Romantisch
Autor: Freudenspender
umgezogen. Damit hat sich ihre Spur verloren. Ich hätte dich so gern getroffen, gesehen, was für ein Mensch du bist und Zeit mit dir verbracht. Es ging leider nicht mehr. Es ist für mich ein kleiner Trost, dass dich mein Notar gefunden und dir diesen Brief übergegeben hat. Damit erfährst du zumindest, dass es mich gegeben hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dir deine Mutter nie etwas von mir erzählt hat. Du wirst dich fragen, warum du einen Vater in Italien hast. Deine Mutter ist nach Siena gekommen und hat hier einen Sprachkurs besucht. Dabei haben wir uns zufällig kennengelernt und in einander verliebt. Sie war ein wunderbares Mädchen. Noch heute vergeht kein Tag, ohne dass ich an sie denke. Glaube mir bitte, ich habe deine Mutter wirklich geliebt und bis an mein Lebensende nicht mehr damit aufgehört. Sieben wunderschöne Wochen durften wir zusammen verbringen. Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, so war dies die glücklichste Zeit. Versteh mich bitte nicht falsch, ich hatte ein wirklich schönes Leben. Allerdings die Zeit mit deiner Mutter überstrahlt alles. So groß unsere Liebe auch war, sie stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Während deine Mutter damals noch blutjung war, war ich bereits Anfang Vierzig. Noch dazu war ich verheiratet und hatte drei Kinder. Zwei eigene und eines hat meine Frau in die Ehe mitgebracht. Es war eine sehr verzwickte Situation. Deine Mutter hat bei uns auf dem Weingut gewohnt und bei der Arbeit mitgeholfen. Das hat es uns leicht ...
gemacht, viel Zeit miteinander zu verbringen. Meine Frau und die Kinder haben sich nie für das Weingut interessiert und leben auch heute noch in der Stadt. Ich wäre bereit gewesen, alles hinter mir zu lassen und mit deiner Mutter ganz neu anzufangen. Doch deine Mutter war wohl die Vernünftige von uns beiden. Sie hatte Angst davor, ich würde es eines Tages bereuen, ihretwegen meine Familie verlassen zu haben. Sie zog es vor, unsere Zeit als glücklichen Abschnitt im Leben in Erinnerung zu behalten, als zu erleben, dass unsere Liebe an diesem Problem zerbricht. Ich war der heißblütige Italiener und sie die besonnene Deutsche. Sie hat die Entscheidung für uns beide getroffen und ließ nicht mehr mit sich reden. Es war für mich ein sehr schwerer Abschied. Hätte ich damals gewusst, dass Maria alle Brücken hinter sich abreißt und wir uns nie wiedersehen, ich hätte sie nicht gehen lassen. Vor allem nicht, wenn ich damals schon gewusst hätte, dass unsere Liebe etwas so Wunderbares wie dich hervorbringen würde. Heute bin ich ein einsamer, alter Mann. Meine Frau und ich haben nichts mehr gemeinsam. Auch meine Kinder sehe ich kaum noch. Sie leben in der Stadt, ich dagegen bin auf meinem geliebten Landgut. Wohl auch deshalb, weil mich hier alles an deine Mutter erinnert. Hier fühle ich mich ihr näher, als an jedem anderen Ort der Welt. Ich hatte ein erfülltes Leben. Keine Frage! Allerdings blieb es mir verwehrt, dich kennenzulernen und deine Mutter noch einmal in die Arme zu schließen. Das wäre ...