Der Olivenhain
Datum: 22.03.2019,
Kategorien:
Romantisch
Autor: Freudenspender
Tür steht, schaut starr auf den Bildschirm. Ich glaube, er hat nicht damit gerechnet, erwähnt zu werden. Wenn ich mich nicht irre, hat er Tränen in den Augen. Er scheint der einzige im Raum zu sein, dem der Tod dieses Mannes zu Herzen geht. "Wird doch nicht dieser Tölpel das Weingut erben! Das kann der alte Trottel doch nicht machen", braust Renzo auf. "Ein wenig Respekt vor den Toten", fährt ihn der Notar an. Diesem ist deutlich anzusehen, wie angewidert er von dieser Bande ist. Ich kann ihn nur zu gut verstehen und rechne es ihm hoch an, dass er trotz allem so professionell den letzten Willen meines Vaters verwaltet. Mir fällt erst jetzt auf, dass der Notar sich so hingesetzt hat, dass ich neben ihm den besten Blick auf den Bildschirm habe. Ich sitze meinem Vater exakt gegenüber, der mich nun direkt anschaut. "Und nun zu dir, meine liebe Greta! Da staunst du, ich kenne deinen Namen. Mein lieber Freund und Notar Domodossola hat erst vor wenigen Tagen deinen Namen mit Hilfe eines Privatdetektivs in Erfahrung bringen können und ich hoffe nun innständig, dass er bald auch dich ausfindig macht. Wenn du dieses Video sieht, hat er es leider nicht mehr rechtzeitig geschafft und wir haben uns nicht mehr kennengelernt. Nur zu gerne hätte ich dich im Arm gehalten, dich aufwachsen sehen und erlebt, wie du eine bildhübsche junge Frau wirst. Das Wissen, dass es dich gibt, allerdings nicht zu wissen, wo du bist und dich nicht zu sehen, hat mir unzählige Male beinahe das Herz zerrissen. ...
Wie oft bin ich auf der Bank im Olivenhain gesessen und habe mit meinem Schicksal gehadert. Manchmal habe ich den Brief verflucht, in dem mir deine Mutter mitgeteilt hat, dass sie ein Kind von mir erwartet. Ich bin aber doch froh gewesen, dass ich zumindest wusste, dass es dich gibt. Du hast bisher nicht viel Zeit auf meinem über alles geliebten Weingut verbringen können. Ich hoffe, du hast die Schönheit und die Klugheit deiner wunderbaren Mutter geerbt. Denn dann hast du dir sicher schon ein Bild machen können und wirst meine Entscheidung verstehen. Ich weiß, ich verlange viel von dir, wenn ich dich darum bitte, dein Leben in Berlin aufzugeben. Deine Mutter konnte ich leider nicht dazu überreden. Es verging seitdem kein einziger Tag, an dem ich mir das nicht den Vorwurf gemacht habe. Deshalb hoffe ich nun, dass du dich anders entscheidest als sie. Meine liebe Tochter, dir vermache ich das Weingut ´L´uliveto´ weil ich es nur bei dir in guten Händen weiß. Hier war ich glücklich und hier habe ich die wenigen wirklich glücklichen Tage meines Lebens verbracht, die Tage, die ich mit deiner Mutter zusammen sein durfte. Hüte und bewahre dieses Land, das ich von meinen Vätern geerbt habe und das seit Jahrhunderten von Generation zu Generation weitergegeben wird." Erneu macht er eine Pause. Nun habe auch ich Tränen in den Augen. Mein Vater muss ein wunderbarer Mann gewesen sein. Die anderen am Tisch hingegen schauen mich an, als sei ich der Teufel selbst. Doch bevor sie etwas sagen ...