Der Olivenhain
Datum: 22.03.2019,
Kategorien:
Romantisch
Autor: Freudenspender
gewählt, seine Nachfolge zu regeln. Ich hoffe ehrlich, dass er sich dabei nicht getäuscht hat", sage ich. Filippo pflichtet mir bei. Allerdings versteht er nicht, die Bedeutung hinter meinen Worten. Er wird sich übermorgen daran zurückerinnern, wenn das Testament verlesen wird. "Was machst du beruflich?", erkundigt er sich. "Wenn ich fragen darf." Seine Zurückhaltung finde ich niedlich. Er ist ein Mann, der aus bescheidenen Verhältnissen stammt, der sich aber seinen Hausverstand bewahrt hat. "Natürlich darfst du fragen. Ich bin Friseurin." "Macht das Spaß?" "Bisher habe ich nie darüber nachgedacht. Ist halt ein Beruf, wie viele andere. Wenn ich jedoch das Land hier sehe, dann kommen mir Zweifel, ob ich mit meinem Leben wirklich zufrieden bin", antworte ich. "Du kannst so lange hier bleiben, wie du möchtest", bietet er an. Sein Angebot kommt überhastet, denn sofort rudert er zurück. "Wenn das nach der Testamentseröffnung noch möglich ist." "Danke für das Angebot", antworte ich. "Ich werde eventuell darauf zurückkommen." Wieder entsteht eine Pause. Wir sitzen schweigend nebeneinander und hängen unseren Gedanken nach. Ich weiß nicht, ob der Notar uns bewusst zusammenführt hat. Doch bewusst oder unbewusst, meine Meinung hat sich geändert. Bei meiner Ankunft war ich noch felsenfest davon überzeugt, nichts mit dem Weingut zu tun haben zu wollen. Das bin ich nun nicht mehr. Ich fühle Verantwortung. So blöd das auch klingen mag, ich fühle Verantwortung meinem Vater, den Menschen, ...
die hier arbeiten und schließlich auch diesem wunderbaren Fleckchen Land gegenüber. Mein Vater hat das Weingut geliebt und es hat für ihn eine besondere Bedeutung. Auch für mich ist dieses Land von ganz entscheidender Bedeutung. Das wird mir allmählich klar. Ohne dieses Land würde es mich nicht geben. An keinem anderen Ort der Welt hätte ich meine Meinung so schnell geändert, wie in diesem Olivenhain. Ich kann an diesem Platz die Liebe förmlich fühlen. Die Liebe meiner Eltern zueinander und die Liebe meines Vaters zu diesem Land. Etwas anderes ist ihm nicht geblieben. Das Schicksal meiner Eltern berührt mich mehr, als ich gedacht hätte. Schließlich machen wir uns auf den Rückweg. Wir sind sehr still. In der großen Halle verabschieden wir uns. "Wann möchtest du das Frühstück haben?", erkundigt sich Filippo. "Ist acht Uhr zu spät?", frage ich unsicher. Ich kenne nicht die Gepflogenheiten in diesem Haus. Ich weiß nur, dass die ländliche Bevölkerung normalerweise zu den Frühausstehern gehört. "Du bist in Urlaub. Natürlich geht das gut", meint er. Ein süßes Lachen spielt um seine Mundwinkel. "Danke Filippo, für alles. Ehrlich! Der Abend war wunderschön", sage ich. Zum Abschied gebe ich ihm zwei Küsschen auf die Wangen. Er ist so überrascht davon, dass er erst realisiert, als ich mich schon wieder von ihm löse. Dann aber läuft er knallrot an. "Gute Nacht!", sage ich. Schnell laufe ich die Treppe hoch und verschwinde. Pünktlich um acht Uhr komme ich ins Speisezimmer. Dort sehe ich nur ...