1. Der Olivenhain


    Datum: 22.03.2019, Kategorien: Romantisch Autor: Freudenspender

    setzen?", will er wissen. Ich habe den Eindruck, er wird erneut leicht rot im Gesicht. Es könnte aber auch das Abendrot sein, das sich wie glühende Lava über den Himmel verteilt hat. "Natürlich, komm her!", fordere ich ihn auf. Ich rutsche ein wenig zur Seite und Filippo setzt sich. Er ist dabei andächtig, unglaublich zurückhaltend. Das hat allerdings nichts mit mir zu tun. "Herr Pisolo wollte nie, dass außer ihm jemand hier sitzt. Diese Bank war heilig. Es ist deshalb das erste Mal, dass ich auf dieser Bank sitze. Keine Ahnung warum", erklärt er. Wenn er wüsste, was ich weiß, denke ich bei mir. Allerdings möchte ich im Moment meine Identität und die Rolle, die ich spielen könnte, noch nicht preisgeben. Ich finde Filippo echt sympathisch und habe so etwas wie ein schlechtes Gewissen, dass ich ihm meine wahre Identität verschweige. Doch es ist noch nicht der richtige Augenblick gekommen. "Und, wie ist es?", frage ich. Damit versuche ich ihn etwas zu necken und die Stimmung aufzuheitern. Nur gelingt es mir nicht. "Ich habe den Eindruck, wir sind nicht allein", antwortet er. "Du wirst mich jetzt für verrückt halten, doch ich spüre förmlich, die Anwesenheit anderer Menschen." "Was sagt die Legende?", bohre ich nach. "Es gibt mehrere Legenden, die sich um diesen Platz ranken." "Dann erzähl eine davon", fordere ich ihn auf. "Ein Gutsherr, der Urgroßvater von Herrn Pisolo soll hier gestanden haben. Plötzlich ist ihm seine Mutter erschienen und hat ihn vor schweren Unwettern ...
     gewarnt. Sie hat ihm geraten, dass alle Menschen die Nacht hier in diesem Olivenhain verbringen sollten. Der Urgroßvater hat den Rat befolgt. Einige haben ihn zwar für etwas schrullig gehalten, sind aber seinen Anweisungen nachgekommen. Nur seine Frau hat ihm nicht geglaubt und ist im Haus geblieben. In der Nacht ist tatsächlich ein fürchterliches Unwetter über die Gegend hereingebrochen. Sintflutartige Regenfälle haben dazu geführt, dass links und rechts dieses Rückens wahre Sturzbäche hinunter gestürzt sind. Plötzlich gab es einen gewaltigen Knall und ein riesiger Blitz schlug ins Haus ein. Es stand binnen Sekunden lichterloh in Flammen. Die Frau konnte zwar noch rechtzeitig das Haus verlassen, wurde dann aber von den Sturzbächen mitgerissen. Man hat sie nie mehr gefunden. Sie wurde vermutlich unter Schlamm begraben, den das Wasser zu Tal befördert hat. Die Menschen, die der Urgroßvater angewiesen hatte, in den Olivenhain zu kommen, haben das Wetter durchnässt aber völlig unbeschadet überstanden." Wir schweigen beide eine längere Zeit. Ich glaube eigentlich nicht an solche Geschichten. Doch diese halte ich tatsächlich für möglich. Nicht nur Filippo hat den Eindruck, an diesem Ort nicht alleine zu sein. Auch ich spüre die Anwesenheit anderer Personen. Während er nur die Präsenz verspürt, bin ich überzeugt, dass es meine Mutter und mein Vater sind. "Dieser Hain und dieses Weingut sind wirklich ein ganz besonderer Fleck auf dieser Erde. Ich hoffe, Herr Pisolo hat den richtigen Weg ...
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