1. Des Menschen Wolf


    Datum: 26.09.2017, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie, Autor: byGhostSong

    „Der Durst trieb ein Schaf an den Fluss, eine gleiche Ursache führte auf der anderen Seite einen Wolf herzu. Durch die Trennung des Wassers gesichert und durch die Sicherheit höhnisch gemacht, rief das Schaf dem Räuber hinüber: »Ich mache dir doch das Wasser nicht trübe, Herr Wolf? Sieh mich recht an, habe ich dir nicht etwa vor sechs Wochen nachgeschimpft? Wenigstens wird es mein Vater gewesen sein.« Der Wolf verstand die Spötterei; er betrachtete die Breite des Flusses und knirschte mit den Zähnen. »Es ist dein Glück,« antwortete er, »dass wir Wölfe gewohnt sind, mit euch Schafen Geduld zu haben«, und ging mit stolzen Schritten weiter."Gotthold Ephraim Lessing „Der Wolf und das Schaf" Das kleine, seichte Bächlein, welches sich trotzig inmitten dieser ewigen Wüste aus Asche, Staub und Trümmern seinen Weg bahnte und das, obwohl es von seiner einstmals majestätischen Größe, von einem unbändigen und reißenden Strom zu einem schlammigen, traurigen Rinnsal verkümmert war, färbte sich sich an diesem Tage rot vor Blut. Viehisch lachend, sich an ihrer Macht, die auf ihren Waffen, ihrem Mordwerkzeug, fußte und ihrem Vergnügen, welches von der Mordlust, der kannibalischen Freude am Leid anderer Menschen her rührte, berauscht, schossen die Räuber wild und aus purer Liebe zur Knallerei um sich. Das rhythmische Tackern der Maschinenpistolen, das blecherne Donnern der Schrotflinten und das höhnische Gelächter dieser Schinder, hallten, einem geisterhaften, unheilverkündenden Echo gleich, ...
     weit zwischen den zerklüfteten Hängen wider; die panischen Schreie ihrer Opfer, Männer, Frauen und Kinder, oft mit nicht mehr bewaffnet als Keulen und stumpfen Messern und der nackten, kalten Entschlossenheit eines in die Ecke gedrängten Tieres ihr Leben, das bisschen, was sie hatten, ihre Lieben zu schützen, wurden, zur puren Freude der Menschenschinder, unbarmherzig niedergeschossen. Es brauchten nur die Starken zu überleben, um zu arbeiten, Tag ein Tag aus, bis sie vor Entkräftung starben und ihre verdorrten Körper Abfall gleich in großen Massengräbern geworfen wurden und die schönsten Weiber, um sie für horrende Summen an das nächstbeste Bordell oder einen wohlhabenden Kaufmann verkaufen zu können, nachdem die Sklavenhändler selbst ihren Spaß mit ihnen gehabt haben, ihre Körper und Seelen gebrochen und damit gnädigerweise für ihr weiteres Schicksal vorbereitet hatten. Und die Jüngsten, denn sie konnte man noch einfacher zum Sklaven formen und erziehen. Die Alten und Schwachen und die ganz Aufmüpfigen, die Rebellen, die Freiheitsliebenden; die wurden getötet. Sie ließen sich nicht dressieren oder würden den Anforderungen nicht entsprechen können. Denn ein Sklavenhändler dachte wie jeder gute Geschäftsmann: In Zahlen. Nahrung kostete Geld, Unterkunft kostete Geld und wer dieses Geld nicht wieder rein bringen konnte, war nutzloser Ballast. Und Ballast verdiente es nicht, zu essen, er verdiente es nicht, zu leben. Also erschoss man ihn, den nutzlosen Fresser und ließ ihn für ...
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