Doppelte Beute
Datum: 24.12.2017,
Kategorien:
Nicht festgelegt,
Autor: bykeinAutor
Entsetzt hatte die junge Frau aufgeschrien. Mit zitternder Hand deutete sie auf die Bibel, die auf einem Regalbrett neben der Koje lag. Davie schlug das Buch an der Stelle, die leicht auseinander klaffte, auf und fand dazwischen einen Schlüssel aus Bronze. Auf der geöffneten Seite konnte er einen Satz übersetzen, da er das Zitat aus dem Buch Salomo kannte: "Du bist wunderbar schön, meine Freundin, und kein Makel ist an dir." Als die Truhe offen war, pfiff der Pirat durch die Zähne. Zusammengekauert lag darin ein zweites Mädchen. Der bullige Mann packte sie am Arm und zog sie auf die Füße, was ihr ein ängstliches Wimmern entlockte. Im Gegensatz zu ihrer Schwester trug die Versteckte nur ein dünnes weißes Unterkleid aus feiner Wolle. „Zwillinge?", dachte Davie zunächst. Doch dann er erkannte er, dass die zweite jünger sein musste, um ein oder zwei Jahre. Die Familienähnlichkeit zwischen den beiden war jedoch frappierend. „Tun sie ihr nichts!" Rosamaria bewegte sich plötzlich schnell und entschlossen. Sie versuchte, auf dem Bett an Davie vorbei zu schlüpfen. Er packte sie aber und hielt sie energisch fest. „Wie heißt deine Schwester?", fragte er. „Mariposa. Sagen Sie ihren Leuten, dass man ihr nichts tun darf!" Jede Ängstlichkeit und Unterwürfigkeit war aus der Stimme der älteren gewichen. Offenbar war sie der Ansicht, dass sie ihre jüngere Schwester beschützen musste. Das gab ihr Selbstvertrauen. Sie versuchte weiterhin, sich aus Davies Griff zu winden, er ließ sie aber nicht ...
los. Körperlich war sie ihm keinesfalls gewachsen. Aber er musste erkennen, dass er durch ihre Aufsässigkeit ein Problem bekam. Eine einzige furchtsame Gefangene festzuhalten, bis das Lösegeld gezahlt wurde, wäre keine große Sache gewesen. Aber zwei junge Frauen, von denen die eine aus eingebildeter Verantwortung für ihre Schwester versprach, einigen Ärger zu machen, das könnte sich als schwierig erweisen. Außerdem hielt das Piratengesetz eine weitere Komplikation für ihn bereit. Als Kapitän stand ihm der größte Anteil an der Beute zu. Und zudem hatte er die erste Wahl beim persönlichen Zugriff auf Einzelstücke, die sich nicht teilen ließen. Mit diesem Recht hätte er Rosamaria für sich beansprucht. Nun aber hatten sie zwei Frauen an Bord, mit ihrer Hauslehrerin sogar drei. Das würde zu reichlich Unruhe in der Mannschaft führen. Der alte Aberglaube der Seeleute, dass Frauen an Bord Unglück brachten, schien sich mal wieder zu bewahrheiten. Der tote spanische Kapitän würde ihm hierbei sicher zustimmen. Davie beschloss, das Problem zumindest so lange wie möglich aufzuschieben und gab entsprechende Befehle, ehe er sich wieder auf sein Flaggschiff begab. Wütend stapfte Davie in seine Kabine. Es war schlimmer, als er befürchtet hatte. Er hatte gehofft, die Verteilung der Beute und damit die Entscheidung über das Schicksal der Frauen bis zur Ankunft in ihrem Unterschlupf auf der Isla Verde verzögern zu können. Aber die Mannschaft bestand darauf, ihren Anteil sofort zu bekommen. Das ...