1. Doppelte Beute


    Datum: 24.12.2017, Kategorien: Nicht festgelegt, Autor: bykeinAutor

    im Vorbeigehen nur einen finsteren Blick zu. Im Augenblick sollten sie noch im Unsicheren über ihr Schicksal bleiben. Später würde er denjenigen, die sich ihnen anschließen wollten, die Freiheit anbieten. Seinen Beinamen Sea Devil hatte er angenommen, um einen möglichst abschreckenden Ruf unter seinen Konkurrenten und Feinden zu erlangen. Bei seinen Entscheidungen ließ er sich aber nicht von Grausamkeit, sondern von nüchternen Überlegungen leiten. Eine Piratenmannschaft brauchte immer Verstärkung. Und zudem mussten sie die eroberte Galeone in einen Hafen bringen, wo sie die Prise zu Geld machen konnten. Da wäre es Verschwendung gewesen, willige Seeleute nicht anzuheuern. Er war rechtzeitig zurück im Kabinengang, als die ersten Axtschläge fielen. Er meinte, von jenseits der Tür einen dünnen Schrei zu hören, der schnell erstickt wurde, war sich aber unter dem Lärm nicht sicher. Das massive Holz hielt mehrere Minuten lang stand, dann splitterte das Türblatt. Davie bellte den Befehl aufzuhören, drängte sich nach vorn und trat die Tür mit einem wuchtigen Tritt endgültig ein. Doch als er hindurchgehen wollte, prallte er angesichts des Anblicks, der sich ihm bot, geradezu zurück. Eine Frau hatte sich mit in die Hüften gestemmten Armen in der Mitte der Kabine aufgebaut. Sie trug das typische, weit ausladende, dunkle Kleid einer spanischen Dame. Auf ihrem Kopf thronte eine weiße Haube, die sie deutlich größer erscheinen ließ, als sie tatsächlich war. Ihr Gesicht zeigte einen ...
     wütenden, entschlossenen Ausdruck. Sie funkelte die Eindringlinge aus schwarzen Augen an. „Escoria! Ihr Abschaum! Wagt es nicht, herein zu kommen", keifte sie. Davie fing sich rasch. Er deutete spöttisch eine Verbeugung an. „Captain David Walker, zu Euren Diensten, Madame. Mit wem habe ich das Vergnügen?" Die unerwartete Höflichkeit erwischte die Dame auf dem falschen Fuß. Hörbar weniger feindselig antwortete sie. „Ihr sprecht mit Señora Fija, Hauslehrerin in den Diensten von Don Braguillas, des Alcalde Mayor auf Hispaniola." „Señora Fija, zunächst einmal mein Kompliment für euer ausgezeichnetes Englisch. Das erleichtert unsere Kommunikation beträchtlich. Denn mein Spanisch ist bestenfalls hinlänglich. Darf ich fragen, ob ihr alleine reist?" „Ja. Nachdem ihr, wie ich vermute, alle meine Begleiter gemeuchelt habt, reise ich alleine", antwortete sie eisig. Davie tippte sich ans Kinn und setzte eine nachdenkliche Miene auf. „Ich weiß nicht, ob ich euch in dieser Hinsicht glauben kann, Señora. Wenn ihr, wie ihr sagt, Hauslehrerin seid, wo sind dann eure Schüler?" Er registrierte sehr wohl, dass ihr Blick kurz zur Koje, die unter einem hohen Berg Frauenkleider begraben war, zuckte, ehe sie sich wieder unter Kontrolle hatte. Davie hatte schon zuvor geglaubt, unter dem Wäschehaufen eine Bewegung ausgemacht zu haben. Er war auch der Meinung gewesen, dass es sich für eine einzelne Dame um viel zu viele Kleider handeln sollte. Aber wer konnte in dieser Hinsicht bei Frauen schon sicher sein? ...
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