1. Stockholm


    Datum: 05.11.2017, Kategorien: Nicht festgelegt, Autor: byJoanWilbury

    herauszulassen. An ihm prallten Beschimpfungen völlig ab, er war bei weitem kein Nervenbündel wie der „Fuchs", der nach wie vor gern mit seiner Knarre vor ihrer Nase herumfuchtelte oder so ein perfides Schwein wie der „Boss". Vor dem hatte sie tatsächlich noch Angst, denn sie hatte gesehen, wie er Menschen getötet hatte. Er war der Inbegriff der Kaltblütigkeit, und sie hoffte inständig, dass der „Dicke" nicht eines Tages bei ihm in Ungnade fallen würde. Wäre das der Fall, wäre sie dem „Boss" schutzlos ausgeliefert. Ja, natürlich war der „Dicke" ein Arschloch, ein Verbrecher wie die anderen, aber trotzdem -- den Umständen entsprechend behandelte er sie gut, war hin und wieder sogar fast freundlich zu ihr. Und wenn es darum ging, „etwas" zu erledigen, bei dem sie im Weg gewesen wäre, war er es, der bei ihr blieb. Entweder wollte er sich also vor „Arbeit" drücken oder er wollte sie nicht mit einem seiner Komplizen allein lassen. Einerlei, sie saßen hier schon seit fast einer Stunde und sie musste pissen! „Wann kommen die andern zurück?", wollte sie wissen. „Wenn sie fertig sind." „Und wann sind sie fertig?" Langsam wandte er ihr den Kopf zu. „Wie alt bist du, fünf?" „Fick dich, Mann", wiederholte sie wütend. „Du weißt doch, was sie machen, also wirst du auch wissen, wie lang's dauert. Ungefähr wenigstens." Seine Mundwinkel zuckten leicht, als würde er ein Grinsen unterdrücken, dann ließ er sich aber zu einer vernünftigen Antwort herab. „Ein, zwei Stunden." „So lange sollen ...
     wir hier noch rumsitzen?" Sie hatte zu verzweifelt geklungen und sofort erkannte sie an seinem Blick, dass er wusste, was los war. Aber er ging nicht direkt darauf ein. „Was ist, hast du Hunger?" „Nein", knurrte sie. „Durst?", fragte er so unschuldig, dass es fast hämisch klang. Wenn sie bloß verhindern könnte, rot zu werden. „Nein." Dieses Funkeln in seinen Augen! „Die Handschellen drücken", versuchte sie schnell abzulenken. „Kannst du sie mir bitte abnehmen?" Jetzt grinste er unverhohlen über ihre plötzliche Freundlichkeit. „Die Handschellen drücken, was?" Am liebsten hätte sie die Bettdecke über ihren glühenden Kopf gezogen, wenn das nur gegangen wäre. „Ja." „Tja", meinte er gedehnt, „damit musst du dich wohl abfinden." „Ach, komm schon", platzte es aus ihr heraus. „Das ist doch albern. Wie sollte ich dir denn abhauen können?" „Spielt keine Rolle." „Aber..." „Nope." „Arschloch." Er lachte und sie hätte ihm dafür in die Eier treten können. Zwanzig Minuten herrschte wieder Schweigen zwischen ihnen. Er starrte aus dem Fenster in den grauen Himmel, und sie versuchte tapfer, still zu sitzen und sich keine Blöße mehr zu geben. Woran denkt er wohl, fragte sie sich unwillkürlich. An seine Familie? Hat er überhaupt eine -- na ja, irgendwie hat ja jeder eine Familie, aber ob er wohl eine eigene gegründet hat? Und falls ja, warum hat er sie dann im Stich gelassen und -- warum interessiert mich das jetzt überhaupt, dachte sie wütend. Es ist doch scheißegal, ob dieser Wichser Frau oder ...
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