Vier Jahre Schweigen
Datum: 08.09.2018,
Kategorien:
Schwule
Autor: byRolf_Udo
brechen. Dann waren wir beide achtzehn, Zeit, erwachsen zu werden und die Jahre des Schweigens zu beenden. Trotz meiner Gemütsverfassung musste ich eingenickt sein, denn meine Uhr zeigte plötzlich halb neun. Die Sonne schien, spiegelte sich in einer runden Silberscheibe. Hatte Niklas meine über den Zaun geworfene CD wieder zurück in unseren Garten geworfen? Ich ging in den Garten, um sie zu holen. Es war etwas, was er angefasst hatte, in meinen Augen wurde es dadurch wertvoller. Nein, das war nicht meine CD, sie war selbstgebrannt und hatte ein rotes Etikett. Eine Musik-CD, teilte mir mein Computer mit. Mit angehaltenem Atem hörte ich einen Schlager aus den 80er Jahren. Schnee liegt auf den Rosen, ich geb's zu ich frier, und ich fühl' wie nie zuvor die Bitterkeit in mir. Doch ich ball' meine Faust und sag: „Ich bin stark, ich bin stark." Risse in der Seele, Make-up im Gesicht, das Leben, das wird weitergeh'n, nur wie - weiß ich noch nicht. Doch ich ball' meine Faust und sag: "Ich bin stark ich bin stark." Was war das? Er kommunizierte mit mir, wenn auch nicht mit Worten. Was würde die Nacht bringen, wenn er um Mitternacht achtzehn wurde? Ich ließ Schule Schule sein, war im Warenhaus, suchte ein Geschenk für ihn, aber mir wurde schnell klar, dass ich absolut keine Idee hatte, was ihm gefallen würde. Er hatte sich so stark verändert, dass ich keinen Anhaltspunkt mehr hatte. Etwas abgedroschenes, wie eine CD oder ein T-Shirt lehnte ich ab. Ob er ein Geschenk von mir überhaupt ...
annehmen würde? Halb zehn Uhr abends. Noch zweieinhalb Stunden oder hundertfünfzig Minuten. Ich saß auf einer Decke, die ich am Boden ausgebreitet hatte. Das Törchen wurde durch einen Stein offen gehalten, den ich in einem Blumenbeet gefunden hatte. Die Decke lag genau in der Toröffnung, eine Hälfte in unserem, die andere in seinem Garten. Ich saß auf meiner Seite und wartete. Ich wusste nicht, was er geplant hatte, ob er überhaupt nach Hause kommen würde. Innerlich hatte ich mich darauf vorbereitet, hier, wenn es nötig war die ganze Nacht zu sitzen, um auf Niklas zu warten. Zu meiner Linken stand ein kleiner Picknickkorb, in den ich einen kleinen Kuchen und etwas heiße Schokolade gepackt hatte. Ich entschied mich, ihn nicht auszupacken, weil er denken könnte, ich wollte mir damit sein Wohlwollen erkaufen. Deshalb stellte ich nur eine kleine Schachtel vor mich, mit einer roten Schleife darum, in der Hoffnung, er würde herauskommen und sie vielleicht sogar öffnen. Gegen halb zwölf sah ich Licht in seinem Zimmer und seinen Schattenriss wanderte durch den Raum. Ich beobachtete, aber es kam mir vor, als drängte ich in seine Privatsphäre. Wusste er überhaupt, dass ich hier unten saß? Das Blut gefror mir in den Adern. Er war ans Fenster getreten und hatte den Vorhang ein klein wenig zur Seite geschoben. Ich sah seinen eisigen Blick auf mich gerichtet, den ich aus den letzten Wochen kannte. Ich blickte wieder auf die Schachtel, wünschte, hoffte, er würde herunterkommen, um bei mir zu ...