Die Rose im Spiegel
Datum: 01.11.2017,
Kategorien:
Romantisch
Autor: Nora
schnell dahingezauberten Tassen, die sie daheim trank ... alles war intensiv, jeder Atemzug reine Lebendigkeit. Sie seufzte, legte ihre Wange gegen den Fensterrahmen und blickte hinaus in die Nacht. Der erste Ton schien ihr wie das Knarren aus Holz in hoher Tonlage. Der zweite Ton jedoch erinnerte sie an leises, zaghaftes Spiel einer Violine ... Sie runzelte die Stirn und hob den Kopf. Nun war nichts zu hören. Das Haus war alt. Und sicher verzogen sich jeden Tag die alten Balken des Daches, wenn die Tageswärme langsam nachlässt, dachte sie. Als sich nach längerem Lauschen der Ton nicht wiederholte, legte sie den Kopf wieder auf die Fensterbank und genoss die Abendluft. Der dritte Ton schreckte sie vollkommen auf. Es war ein klarer Akkord, sanft und klagend gespielt, der aus einem der anliegenden Räume zu kommen schien ... sie stellte die Tasse ab und trat aus ihrem Zimmer auf den Gang. Es gab Kerzenhalter an den Wänden des Hauses, aber sie hatte die alten Wachsstummel nicht angezündet. Darum war es im Gang draußen dunkel. Und umso mehr fiel ihr ein schwacher goldener Lichtschein auf, der unter der Türkante der Türe zur Bibliothek hindurch schien. Sie trat näher an den Zugang zur Bibliothek heran. Das Licht auf der Türschwelle flackerte. Das Ohr gegen das gewachste Holz gelegt, lauschte sie mit angehaltenem Atem. Nichts war zu hören ... Ihre Hand tastete nach dem Türknauf, der sich leicht öffnen ließ. Die Bibliothek lag im Halbdunkel. Durch die offenen Fenster fiel etwas ...
fahles Nachtlicht in den Raum. Die weißen, langen Gardinen wehten wie seidene, halb durchsichtige Fahnen in den Raum. Er war langgestreckt und mit dunklem Holz vertäfelt, das einen schwachen Duft von Wachs und Politur abgab. Doch dies wurde sofort überströmt vom wilden süßen Duft der Rosen, den der Wind mit herein brachte. Die Wände waren hoch bis unter die Decke mit Bücherregalen bedeckt, in denen Seite an Seite viele alte Bücher standen. In der Mitte der Wand gegenüber den Fenstern jedoch stand ein Kamin ... und über dem Kamin ein großer Spiegel. Auf den Kaminsims hatte jemand zwei Kerzen gestellt ... und entzündet. Sie betrat vorsichtig den Raum. Ein Wispern schien in der Luft zu liegen. Überall im Raum standen große und kleine Kerzenleuchter, sicher Dutzende von Kerzen, die aber alle nicht entzündet waren ... der Boden war bedeckt mit einem großen, persischen Seidenteppich, der jedes Geräusch ihrer Schritte schluckt und sich weich und sanft anfühlte. Sie trat in die Mitte des Teppichs vor den Kamin und blickte die Kerzen an. Ein Gefühl des Befremdens umgab sie, aber es war nicht unangenehm. Und doch erschrak sie tief, als plötzlich wieder der Ton erklang ... ein leises, fast klagendes Erklingen einer Violine ... Sie fuhr hoch, drehte sich um, konnte aber nichts sehen. Der Ton blieb, stieg höher und fiel nieder, bis er sich zu einer sanften Melodie formte, die ihr bekannt vorkam ... und es schien aus dem Garten zu kommen. Sie eilte ans Fenster. Im Garten war niemand. Und doch ...